50 Jahre elektrische S-Bahn zwischen Sülldorf und Wedel
Am 20. Mai 2004 jährte sich zum 50. Mal die Aufnahme des elektrischen Zugbetriebs zwischen Sülldorf und Wedel.
Die Strecke selbst ist wesentlich älter - schon seit dem 1. Dezember 1883 verkehrten auf ihr Dampfzüge nach Blankenese
und weiter bis Altona.
Die Verlängerung der Stromschiene bis Wedel war der zweite, wenn auch bescheidene Ausbau des Gleichstromnetzes
nach Ende des 2. Weltkriegs. Bereits seit dem 14. Mai 1950 konnten die elektrischen Triebzüge des Typs ET 171 über
Blankenese hinaus bis Sülldorf fahren und so den altertümlichen Dampfzugbetrieb mit Lokomotiven der Baureihe 74
(preußische T12) und bunt zusammen gewürfelten Abteilwagen verschiedener Gattungen auf den Abschnitt Sülldorf - Wedel
beschränkten. Mit neuen Siedlungsgebieten zwischen Blankenese und Sülldorf und der deutlich verbesserten Bedienung
der Strecke im regelmäßigen S-Bahntakt entstand außerdem die Notwendigkeit eines weiteren Haltepunktes in Iserbrook,
der am 31. Oktober 1950 eröffnet wurde.
1954 nun hatten die rauchenden Dampflokomotiven, von vielen älteren Anwohnern der Strecke liebevoll
Teekessel und den Schulkindern Emma oder Feuriger Elias getauft, auf dieser
Strecke endgültig ausgedient.
Mit den Gleichstromzügen begann zwischen Blankenese und Wedel ein neues Zeitalter, die Streckenführung allerdings
behielt noch lange Zeit ihren ländlichen und nebenbahntypischen Charakter bei. Allein neun Bahnübergänge wies die
ebenerdige, eingleisige Bahntrasse noch Mitte der 1950er Jahre auf. 1960 wurde zwar der Übergang Bargfredstraße
zwischen Blankenese und Iserbrook geschlossen, aber erst der stark wachsenden Autoverkehr und damit verbundene
Straßenausbau begann die Strecke wirklich nachhaltig zu verändern: Am 17. Mai 1978 wurde die Trasse im Bereich
Iserbrook mitsamt dem Haltepunkt auf einen Damm verlegt und damit die Bahnübergänge Hasenhöhe und Sülldorfer
Landstraße, an dem es immer wieder lange Staus vor geschlossener Schranke gab, durch Brücken ersetzt.
Dem vierspurige Ausbau der Bundesstraße 431 musste am 8. Mai 1983 der ebenerdig liegende Bahnhof Rissen weichen,
der einige Meter weiter nördlich in einen Einschnitt verlegt wurde und so drei weitere Bahnübergänge (Achtern Sand,
Klövensteenweg und Gudrunstraße) überflüssig machte. Gleichzeitig erfolgte der zweigleisige Ausbau der Strecke bis
kurz vor Wedel, um auch Zugbegegnungen auf freier Strecke zu ermöglichen und so die Streckendurchlässigkeit zu
erhöhen. Mit diesem Umbau machten auch zwischen Rissen und Wedel die mechanischen Stellwerke und Formsignale dem
neuen Spurplan-Drucktastenstellwerk (SpDrS60) "Wf" in Wedel Platz, das seitdem mit Sv-Lichtsignalen
(Signalverbindungen für den S-Bahn-Betrieb) die Sicherung dieses Streckenabschnitts übernimmt.
Bis 1998 waren zwischen Altona und Wedel neben den S-Bahn-Triebwagen regelmäßig Güterzüge zu beobachten, die
größtenteils Kesselwagen beförderten. Sie endeten meist im Bahnhof Rissen-Ölweiche, der seinen Namen den Anfang des
20. Jahrhunderts erbauten Anlagen der Deutsch-Amerikanischen Petroleumgesellschaft, heute
Mobil Oil A.G. verdankt. Diese Firma bediente mit eigenem Personal und werkseigenen Lokomotiven
regelmäßig ihre von dort zum Firmengelände abzweigenden Gleisanlagen und außerdem die an der Strecke liegenden
Anschlüsse der Firmen HEW, Lubeca, Kohlenkontor Beyer & Körner und Baas-Technik. Im März 2003 wurden durch
Einstellung der Produktion bzw. Verlagerung der Transporte auf die Straße die seit 1998 nicht mehr benötigten
Weichenverbindungen und Gleisanlagen des Bahnhofs sowie Teile des Anschlussgleises zurückgebaut.
Das alte Bahnhofsgebäude in Wedel fiel zwar nicht dem enormen Platzbedarf des Autoverkehrs zum Opfer, musste aber
1984 dem Neubau der 1986 fertig gestellten Roland-Residenz, einem Wohnungskomplex mit Ladenzeile, weichen.
In jüngster Zeit wurden auch die restlichen Gütergleise zurückgebaut, so dass kaum noch etwas an den ehemals regen
Güterumschlag erinnert, der maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt beigetragen hat.
Einzig der Bahnhof Sülldorf mit ebenerdigem Gebäude, durch den der Zugang zum Bahnsteig erfolgt, zeigt sich heute
noch nahezu unverändert. Seit dem 23. Juni 1927 werden hier mit Hilfe mechanischer Sicherungstechnik Zugkreuzungen
auf dem ansonsten eingleisigen Abschnitt zwischen Blankenese und Rissen durchgeführt. In dem Bau aus dunklem
Backstein sind neben Diensträumen und einem Geschäft auch das mechanische Stellwerk untergebracht, von dem über
Drahtzugleitungen 8 Signale, zwei Weichenriegel und außerdem elektrisch zwei Weichen, der letzte bei der S-Bahn
vorhandene Bahnübergang mit Vollschranken über den Sülldorfer Kirchenweg sowie eine kleine Fußgängerschranke
im Zugang zum Bahnsteig bedient werden. Diese beiden Anlagen und die Bahnübergänge mit Halbschranken Sieversstücken
zwischen Sülldorf und Rissen sowie Autal kurz vor Wedel sind die einzigen noch bei der S-Bahn vorhandenen
niveaugleichen Kreuzungen zwischen Schiene und Straße.
Aber auch hier soll sich in naher Zukunft einiges verändern: Geplant ist die Stellbereichs-Erweiterung des
Stellwerkes Wf in Wedel bis nach Sülldorf und damit die Außerbetriebnahme der alten Sicherungstechnik mit
den nostalgischen Formsignalen, die bis heute noch das Bild zwischen Sülldorf und Klein Flottbek prägen. Außerdem
sollen längerfristig die Stellwerke in Klein Flottbek, Hochkamp und Blankenese ersetzt und die Strecke zwischen
Sülldorf und Wedel unter Beseitigung der Bahnübergänge zweigleisig ausgebaut werden.
Was von den vielfältigen
Planungen umgesetzt wird, ist letztlich nur eine Frage der Finanzierung und der Zeit. In jedem Fall lohnt es sich
für interessierte Fahrgäste, bei einer Fahrt auf dieser Strecke die nur wenige Kilometer voneinander entfernt
liegenden Gegensätze zwischen historischen Empfangsgebäuden und modernen Zweckbauten der Bahnarchitektur bewusst
zu erleben.
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